Punktehandel (Falsche Verdächtigung)

Manch Betroffener in einer Bußgeldsache meint, sich aus der Affäre ziehen zu können, indem er einen anderen als Fahrer benennt. Oft stellen sich dafür Familienangehörige zur Verfügung, manchmal Freunde. Es gibt aber nicht nur nahestehende Wohltäter, die Punkte übernehmen, sondern auch einen regelrechten (Internet-)Handel. Mehr oder weniger dubiose Mittelsmänner bieten an, gegen eine hohe Vermittlungsprovision einen Sündenbock ausfindig zu machen. Die Preisgestaltung ist simpel. Man zahlt in der Regel 100 Euro Bearbeitungsgebühr, eine nach Erheblichkeit des Verkehrsverstoßes gestaffelte Pauschale, einen weiteren Betrag für ein Fahrverbot und natürlich das Bußgeld. Gezahlt wird selbstverständlich im Voraus. Der „unbekannte Dritte“ übernimmt dann sozusagen die drohenden Punkte und das Fahrverbot. Beides stört den Übernehmer wenig, da er zwar einen Führerschein, aber meistens gar kein Auto hat oder jedenfalls Punkte oder Fahrverbot verschmerzen kann.

Aber Vorsicht! Die Rechtslage ist strafrechtsdogmatisch höchst anspruchsvoll und lange nicht so simpel wie die Punktevermittler es – teilweise sogar in Fernsehbeiträgen – weismachen wollen.

Wenn der Täter einer Ordnungswidrigkeit der Behörde mitteilt, ein anderer habe die Tat begangen, so macht er sich wegen „Falscher Verdächtigung“ (§ 164 II StGB) strafbar. Es droht Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe. Der Punkte-Übernehmer ist je nach Fallkonstellation wegen Anstiftung oder Beihilfe dran.

Punktehändler bedienen sich aber eines Tricks. Den Anhörungsbogen füllt nämlich der Übernehmer aus. Er behauptet, der Fahrer gewesen zu sein. Der eigentliche Täter bleibt untätig. Die Selbstbezichtigung wegen einer Ordnungswidrigkeit ist grundsätzlich straflos. Dieses Argument wird von den Punktehändlern in Bezug auf den Strohmann angeführt. Ferner behaupten sie, der tatsächliche Fahrer habe ja ein Schweigerecht und müsse keine Fragebögen ausfüllen. Er verhalte sich ausschließlich passiv und könne sich daher ebenfalls nicht strafbar machen. Dass das aus der Sicht irregeführter Staatsorgane so einfach nicht sein kann, liegt auf der Hand.

Das OLG Stuttgart hat deshalb dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben. Es vertritt den Standpunkt, der Verkehrsrowdy mache sich sehr wohl wegen Falscher Verdächtigung strafbar. Er habe nämlich die Tatherrschaft, also den Geschehensablauf selbst in der Hand. Außerdem habe er ein Tatinteresse. Selbst wenn er nur der Hintermann sei, so sei er doch zumindest mittelbar der Täter. Der Punkte-Übernehmer ist laut OLG wegen Beihilfe zu bestrafen (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.07.2015, Az. 2 Ss 94/15).

Es ist davon auszugehen, dass andere Gerichte sich dieser Auffassung anschließen werden.

Die Bußgeldstellen prüfen übrigens ziemlich genau. Hat jemand behauptet, der Fahrer gewesen zu sein, so wird das beim zuständigen Einwohnermeldeamt hinterlegte Ausweisfoto angefordert und mit dem Messfoto verglichen. Besteht keine Ähnlichkeit, ist das Kind in den Brunnen gefallen.