Straßenverkehrsgefährdung

Die sieben Todsünden im Straßenverkehr sind in § 315 c Strafgesetzbuch normiert. Es handelt sich auf den ersten Blick um „normale“ Verkehrsverstöße wie z. B. den Vorfahrtsverstoß oder den Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot. Verhält sich der Fahrzeugführer dabei grob verkehrswidrig und rücksichtslos und verursacht er einen (Beinahe-) Unfall, so wird er mit Freiheits- oder Geldstrafe bestraft und muss in der Regel für etwa ein Jahr auf seine Fahrerlaubnis verzichten. Diese Sanktionen sind grundsätzlich nachvollziehbar. Der Teufel steckt allerdings im Detail. „Grob verkehrswidrig“ und „rücksichtslos“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die den Gerichten große Auslegungs- und Entscheidungsspielräume ermöglichen. Durch diese beiden Tatbestandsmerkmale erhalten Ordnungswidrigkeiten den Unwertgehalt einer Straftat. Wer z. B. rechts überholt oder vor seinem Rotlichtverstoß kräftig beschleunigt hat, sieht sich womöglich einem Strafverfahren ausgesetzt. Wichtig ist dann anwaltlicher Rat, bevor Angaben gegenüber der Polizei gemacht werden. Zu prüfen ist nämlich, ob die Tat „besonders gefährlich“ war (z. B. Überholen bei außerordentlich schlechter Sicht oder viel zu schnelles Heranfahren an einen Zebrastreifen). Ferner müsste der Kraftfahrer die Pflicht zur Rücksichtnahme bewusst schwer verletzt und sich dabei leichtsinnig, eigensüchtig oder gleichgültig verhalten haben. Bloße Gedankenlosigkeit, Unaufmerksamkeit oder sonstiges menschliches Versagen reichen für eine Strafbarkeit nicht aus. Juristen versuchen also, unbestimmte Rechtsbegriffe mit Hilfe anderer unbestimmter Begriffe zu erklären. Dabei kommt es auf Feinheiten an, die sich dem Laien nicht erschließen.

Neben besonders gefährlichen Verkehrsverstößen führt auch die Fahruntüchtigkeit zu einer entsprechenden Bestrafung. Im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen ist das jedem bewusst. Weniger bekannt ist, dass sich auch strafbar macht, wer durch geistige oder körperliche Mängel fahrunsicher ist. Praktische Anwendungsfälle sind Übermüdung, Fuß- oder Handverletzung, Zuckerschock, Krampfanfall, Medikamenteneinnahme, Sehbehinderung und Demenz. Auch hohes Fieber, starke Schmerzen oder heftiger Heuschnupfen können ausreichen. Wer also seinen Unfall mit einem Niesanfall erklären möchte, muss sich nicht wundern, wenn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird.

Gesellschaftlich immer bedeutsamer werden altersbedingte Leistungsdefizite. Wer bei sich oder seinen Angehörigen Orientierungs- oder Konzentrationsstörungen, gelegentliche Verwirrtheits- oder Ohnmachtszustände beobachtet, sollte die Fahrtauglichkeit kritisch hinterfragen. Auch wer nach einem Schlaganfall oder im Rahmen einer Parkinsonerkrankung Bewegungsstörungen hat, kann fahruntüchtig sein. Angesichts der demographischen Veränderungen und steigender Unfallzahlen bei Senioren wird sich der Gesetzgeber bald dieser Problematik annehmen. Unfallforscher fordern bereits einen regelmäßigen Senioren-TÜV. Schon jetzt sollte aber jedem bewusst sein, dass eine eingeschränkte Fahrtauglichkeit nicht nur gefährlich, sondern im Falle eines selbst verursachten (Beinahe-)Unfalles auch strafbar ist.