Punkte in Flensburg

In Flensburg haben rund neun Millionen Führerscheininhaber Punkte. Davon sind 77 % Männer. Die meisten sind zwischen 25 und 44 Jahre alt. Die häufigsten Delikte sind Geschwindigkeitsüberschreitung, Alkohol- bzw. sonstiger Drogenkonsum, Abstands- und Handyverstöße. Durch das seit dem 01.05.2014 geltende neue Punktesystem ist die Luft dünner geworden, und zwar vor allem für Vielfahrer, nämlich Berufskraftfahrer, Außendienstmitarbeiter, etc. Also für Menschen, die zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind. Nach altem Recht wurde bei Erreichen von 18 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen. Das geschieht heute schon bei acht Punkten. Ist das Punktekonto voll, ist der Führerschein weg. Und häufig auch der Arbeitsplatz.

Der Gesetzgeber wollte mit seiner Punktereform dem „Rowdytum im Verkehr“ entgegenwirken. Nach Schätzungen sollen nach neuem Recht 10 % mehr Führerscheine eingezogen werden. Das Problem: Es trifft die Falschen.

Immerhin gibt es gegenüber dem alten System auch Vergünstigungen. So werden heute nur noch verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeiten bepunktet. Die Fahrt in der Umweltzone oder der Verstoß gegen die Fahrtenbuchauflage zählen also nicht dazu. Deutlich weniger Punkte gibt es für Straftaten im Straßenverkehr. Nach alter Rechtslage wurden z. B. für eine Nötigung fünf Punkte in Flensburg vermerkt. Jetzt gibt es nur noch zwei Punkte, und die auch nur, wenn das Gericht bei der Verurteilung ein Fahrverbot verhängt. Erhebliche, zu einem Fahrverbot führende Geschwindigkeitsverstöße, die früher drei bis vier Punkte einbrachten, werden heute ebenfalls nur noch mit zwei Punkten geahndet. Schließlich wurde die Tilgungshemmung abgeschafft. Alte Eintragungen werden daher bei Begehung einer neuen Ordnungswidrigkeit nicht mehr „mitgeschleppt“. Im Gegenzug sind allerdings die Tilgungsfristen auf 2,5 Jahre (Ein-Punkt-Verstoß) und auf fünf Jahre (Zwei-Punkt-Verstoß) verlängert worden.

Was sich aber nicht geändert hat, ist die Bewertung vieler Ein-Punkt-Verstöße. So hat der Gesetzgeber zwar die sog. Eintragungsgrenze von 40 auf 60 Euro heraufgesetzt. Andererseits hat er aber auch die Bußgelder für verkehrssicherheitsgefährdende Verstöße deutlich angehoben, beispielsweise für die Winterreifenpflicht, das Handyverbot oder die falsche Beleuchtung bei Regen, Nebel oder Schneefall von 40 auf 60 Euro. Diese Verstöße wurden / werden nach alter und neuer Rechtslage mit einem Punkt geahndet.

Während also gravierende Verkehrsverstöße (z. B. Straftaten) im Verhältnis zur früheren 18-Punkte-Obergrenze etwa gleich schwer sanktioniert werden, gibt es bei leichteren Verstößen keine Entlastung. Der Gesetzgeber nimmt sich somit gerade nicht die Verkehrsrowdys vor, sondern die Vielfahrer, die aufgrund ihrer hohen Kilometerleistung das große Risiko tragen, auch durch kleine Verstöße das Punktekonto zu füllen. Besonders schlimm wird es für die LKW-Fahrer. Die haben nämlich vor Inbetriebnahme des LKW eine unübersehbare Anzahl von Prüfvorschriften zu beachten. Wer sich daran hält, gerät oft in Konflikt mit seinem straffen Zeitplan. Für den Fahrer ein Dilemma.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Möglichkeit des Punkteabbaus stark eingeschränkt wurde. Nach altem Recht konnten durch ein Aufbauseminar bis zu vier Punkte und durch eine verkehrspsychologische Beratung noch einmal zwei Punkte abgebaut werden. Theoretisch waren also bis zur Fahrerlaubnisentziehung 24 Ein-Punkt-Verstöße möglich. Heute kann nur noch ein Punkt abgebaut werden. Damit ist bei spätestens neun Ein-Punkt-Verstößen Schluss. Wer sich also acht- bzw. neunmal bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h, beim Telefonieren oder beim Verstoß gegen die Winterreifenpflicht erwischen lässt, ist auch ohne grobe Verkehrsverstöße seinen Führerschein los.

Vielfahrern ist deshalb zu raten, gegen jeden Punkt zu kämpfen.