Unfallflucht

Eines der häufigsten Delikte in der Praxis des Verkehrsrechtsanwaltes ist das „Unerlaubte Entfernen vom Unfallort“. Dieser Straftatbestand wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (sehr selten) oder Geldstrafe geahndet. Schlimmer als die Geldstrafe sind die stets drohenden Konsequenzen für den Führerschein. Ob der nur kurze Zeit (ein- bis dreimonatiges Fahrverbot) oder gleich dauerhaft abgegeben werden muss (Entziehung der Fahrerlaubnis), hängt vom Ausmaß des entstandenen Schadens ab. Sind Personen nicht unerheblich verletzt worden oder ist ein Sachschaden von mehr als 1.500 Euro eingetreten, so kann sich der Täter darauf einstellen, ein Jahr zu Fuß zu gehen. Die Unfallflucht nach einem Parkplatzrempler ist also keineswegs ein Kavaliersdelikt. Es bestehen allerdings gute Verteidigungsmöglichkeiten.

Zunächst muss aber mit einem weit verbreiteten Irrtum aufgeräumt werden. Das Hinterlassen eines Adress-Zettels oder einer Visitenkarte am Scheibenwischer reicht nicht. Der Unfallbeteiligte muss vor Ort die Feststellung seiner Personalien ermöglichen. Ist der Geschädigte nicht anwesend, muss die Polizei gerufen werden. Wer das nicht macht, weil er z. B. kein Telefon zur Hand hat, muss eine angemessene Zeit warten und dann zur Polizei fahren. Was angemessen ist, ist umstritten. Nach einer Entscheidung des OLG Hamm soll bei einem Blechschaden nachts um drei Uhr in der Stadtmitte eine Wartezeit von 45 Minuten zu kurz sein.

Der häufigste Fall: Oft entfernt sich ein Unfallbeteiligter, ohne sich seiner Schuld bewusst zu sein. Dann hat er zwar womöglich objektiv gesehen einen Unfall verursacht. Er hat ihn aber subjektiv nicht wahrgenommen. Zu prüfen sind dann die optische, akustische und taktile (sensitive) Wahrnehmbarkeit. So bekommt der Fahrer eines 40-Tonners unter Umständen gar nicht mit, wenn er mit seinem Auflieger etwas beschädigt. Das hat er nämlich in seinem Führerhaus, konzentriert auf das vor ihm liegende Verkehrsgeschehen, weder gesehen, noch gehört und auch nicht gespürt. Das Gleiche kann für den Parkplatzunfall gelten. Dabei sind häufig biegsame „Weichteile“ der Fahrzeuge, nämlich die Kunststoffstoßfänger betroffen. Geschieht die Kollision beim Rückwärtsfahren, muss man sie nicht sehen. In der geschlossenen Fahrgastzelle muss man solche Anstöße auch nicht hören. Dies gilt umso mehr bei eingeschaltetem Radio. Insbesondere streifende Anstöße muss man auch nicht spüren. Zu beachten ist all dies vor allem bei älteren Kraftfahrern, deren Wahrnehmungsfähigkeit altersbedingt eingeschränkt sein kann. In solch einer Fallkonstellation fehlt es an dem für die Strafbarkeit vorausgesetzten Vorsatz. Der Unfallverursacher muss zwar den Schaden begleichen. Er kann aber nicht bestraft werden.

Ein (riskanter) Rettungsanker: Wer die Kollision bemerkt und sich entfernt hat, anschließend aber ein schlechtes Gewissen verspürt, kann straffrei davonkommen, wenn er binnen 24 Stunden die Polizei aufsucht und den Unfall meldet. Aber Achtung: Das gilt nur bei Unfällen außerhalb des fließenden Verkehrs und nur bei Schäden unterhalb 1.500 Euro. Wer sich insoweit nicht sicher ist, sollte sofort einen Anwalt aufsuchen. Liegt der Schaden nämlich unerwartet doch über 1.500 Euro, so gibt es die Möglichkeit der Strafmilderung nicht und die Fahrerlaubnis wird entzogen.

Das Wichtigste zum Schluss: Auch bei der Unfallflucht darf die Bedeutung des Schweigerechts nicht unerwähnt bleiben. Oft klingelt die Polizei schon wenige Minuten nach einer Kollision bei dem Unfallflüchtigen zuhause. Manchmal erfolgt auch ein Anruf. Die erste Frage der Beamten zielt immer auf die Fahrereigenschaft ab. Wer zugibt, gerade am Unfallort gewesen zu sein, hat die erste und wichtigste Verteidigungsbastion schon aufgegeben.